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Leseprobe: Das 68er Kochbuch

Gewissensbiss

Die 68er haben normalerweise gar kein Gewissen. Man kann nämlich alles irgendwie erklären, und schuld sind sowieso die anderen. Außerdem ist man gewohnheitsmäßig im Recht, denn man macht es sich ja selbst, und die Presse fragt auch nicht viel nach, sondern beschweigt. Als 68er ist man also immer aus dem Schneider. Das einzige Gewissen, das die 68er angeblich kennen, ist das soziale Gewissen, deshalb plärren sie uns das besonders gern in unsere Ohren. In Wirklichkeit sind sie natürlich sozial genauso eiskalt wie in jeder anderen Lebenslage. Sie plärren daher am lautesten auch meist nur vor der nächsten Wahl, zum Beispiel in Bremen oder NRW, damit sie die Menschen dort in den kommenden vier Jahren noch ärmer machen können, als ihnen das in den letzten 40 Jahren schon gelungen ist. Hauptsache, die Armen nehmen ihnen die Geschichte mit dem Gewissen ab und geben ihnen wieder ihre Stimme, und je mehr Arme, desto mehr Stimmen.

Für den Gewissenbiss ist es nie zu spät. Man kann ihn deshalb auch spät nachts noch zu sich nehmen, obwohl er schwer im Magen liegt. Er regt sich meist von selbst wie das Zahnweh, wenn der Kiefer unten eitert, und man sollte dringend auf ihn hören und dem Übel an die Wurzel gehen, sonst wird er nämlich immer schlimmer, und man kann nicht mehr ruhig schlafen, vor allem, wenn man schon so einiges angerichtet und auf dem Kerbholz hat. Leider regt er sich bei den 68ern nur sehr selten, denn für Regungen jeglicher Art sind sie zu verkopft. Es hat daher gar keinen Sinn, sie davor zu warnen, dass der Gewissensbiss irgendwann so groß und happig wird, dass man ihnen den Zahn eines Tages ziehen muss, und dass das mitunter sehr, sehr schmerzhaft und teuer werden kann. Diese Erfahrung müssen sie erst selber machen.

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