Lichtschlag Bücher

Leseprobe: Ayn Rand

Vorwort

Im Jahre 1991 fragte die „Library of Congress“, die Nationalbibliothek der USA, die amerikanischen Leser nach dem Buch, das sie am meisten beeinflusst hatte. Sieger der Umfrage war erwartungsgemäß die Bibel. Direkt auf Platz zwei landete ein 1957 erschienener Roman namens „Atlas Shrugged“ (deutscher Titel: „Wer ist John Galt?“). Ihn verfasste eine Schriftstellerin und Philosophin, die in Deutschland selbst vielen gestandenen Anglistik-Professoren nicht bekannt ist: Ayn Rand.

Am geringen Bekanntheitsgrad von Ayn Rand in Deutschland wird sich wohl erst etwas ändern, wenn die bevorstehende Hollywood-Verfilmung von „Atlas Shrugged“ bald auch in deutschen Kinos zu sehen sein wird. Für Amerikaner dagegen ist die Leser-Silbermedaille für Ayn Rand nicht sonderlich überraschend. Schließlich gehören auch Prominente wie Jennifer Aniston, James Clavell, Hillary Clinton, Clint Eastwood, Alan Greenspan, Hugh Hefner, Angelina Jolie, Eva Mendes, Martina Navratilova, Brad Pitt, Ronald Reagan, Christina Ricci, Tom Selleck und Raquel Welch, um nur einige zu nennen, zu den bekennenden Rand-Fans. In den USA werden jährlich immer noch im Schnitt 500.000 Bücher von Ayn Rand verkauft. Insgesamt beläuft sich die weltweite Zahl der verkauften Rand-Bücher auf über 50 Millionen. Beiträge und Bezugnahmen zu Rand gibt es in fast allen amerikanischen Zeitschriften, Zeitungen und Think Tanks, ja es gibt sogar zwei Institute, die sich der wissenschaftlichen Erforschung der Werke und der Philosophie von Ayn Rand widmen.

Auch anderswo in der Welt, vor allem im angelsächsischen Raum, aber auch in Ländern wie Russland, Brasilien, Indien und China erfreut sich Ayn Rand einer zunehmenden Beliebtheit. Ihren Namen hört man in aller Regel im Zusammenhang mit den Begriffen Kapitalismus, Individualismus, Egoismus, Radikalliberalismus und Objektivismus. Und tatsächlich ist die geistesgeschichtliche Bedeutung dieser russischstämmigen Autorin vor allem darin begründet, dass sie nicht unerheblich zu einer Renaissance der erzliberalen Werte der amerikanischen Gründerväter beitrug und half, den Siegeszug der Sozialdemokratie nach europäischem Muster in den USA zumindest vorübergehend aufzuhalten. Ihr Eintreten für einen Rückzug des Staates aus dem Privatleben seiner Bürger sowie für die Trennung von Politik und Wirtschaft brachte ihr Sympathien sowohl progressiver Bürgerrechtler als auch konservativer Traditionalisten ein. Doch während Linken vor allem ihr Eintreten für einen ungebremsten Kapitalismus missfiel, störten sich Rechte an ihrem Atheismus und ihrem Moralsystem, das nicht die Nation oder irgendein anderes Kollektiv, sondern den Menschen als Individuum in den Vordergrund stellt.

Obwohl Ayn Rand die Linien ihrer Philosophie, den sogenannten „Objektivismus“, und ihre politischen Vorstellungen recht deutlich umrissen hat, sind sich ihre heutigen Anhänger alles andere als einig. Am Kontroversesten wird in den letzten Jahren die Frage erörtert, wie tolerant man gegenüber Intoleranz im eigenen Land und anderswo in der Welt sein sollte und ob ein Staat, auch wenn es nur ein abgespeckter Nachtwächterstaat ist, die Werte Freiheit und Individualismus auch gewaltsam mittels außenpolitischer Militäreinsätze verteidigen darf. Doch in dieser Frage sind nicht nur Rand-Anhänger gespalten, sondern die gesamte amerikanische Nation, wobei sich Kriegsgegner nicht nur bei den Linken, sondern gerade auch bei konservativen und erst recht bei libertären Traditionalisten wie etwa Ron Paul, einem republikanischen Kandidaten zu den Vorwahlen zur Präsidentenwahl 2008, finden.

Einig sind sich die meisten amerikanischen Bücherfreunde jedoch darin, dass dem Werk von Ayn Rand ein herausragender Platz in der Geschichte der amerikanischen Literatur zukommt und dass man ihre Romanwälzer „Atlas Shrugged“ und „The Fountainhead“ einfach gelesen haben muss. Die Novelle „Anthem“, ein leidenschaftliches Plädoyer gegen Totalitarismus und eine staatlich verordnete Ich-Vergessenheit, gehört zum festen Lektürekanon in sehr vielen amerikanischen Schulen.

Die Zahl der bekennenden Rand-Kenner in Deutschland ist dagegen bislang recht übersichtlich. Als einziger Prominenter bekannte Oliver Bierhoff in der Öffentlichkeit, einen Roman von Ayn Rand, nämlich „Atlas Shrugged“, für lesenswert befunden zu haben. Seitdem der Hamburger Verleger und Sexualforscher Professor Werner Habermehl die Hauptwerke von Ayn Rand ins Deutsche übersetzen ließ, steigt jedoch auch hierzulande die Zahl derjenigen an, die mit Ayn Rand etwas anfangen können. So scheint die Zeit langsam aber sicher reif dafür zu sein, ein deutschsprachiges Buch mit ein paar einführenden Hintergrundinformationen über Ayn Rand auf den Markt zu bringen.

Die vorliegende Arbeit beschränkt sich dabei hauptsächlich auf den biographischen Werdegang der Schriftstellerin. Dabei wird auch versucht, einige historische und kulturgeschichtliche Eckdaten, die für die Lebensgeschichte der Autorin eine Rolle gespielt haben, zu beleuchten. Der Anspruch dieses Buches ist es, eine unterhaltsame wie informative Beschreibung des abwechslungsreichen Lebensweges von Ayn Rand zu leisten. Rands Philosophie soll dagegen nur am Rande behandelt werden. Es wird Aufgabe eines anderen Buches sein, den Objektivismus einer interessierten deutschen Leserschaft näherzubringen. Empfohlen sei an dieser Stelle die ebenfalls in Kürze im Lichtschlag-Verlag erscheinende Übersetzung des Buches von Tibor Machan.

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