Lichtschlag Bücher

Leseprobe: Roter, brauner und grüner Sozialismus

Einleitung

Die Verlockung des Vergessens und Verdrängens ist sehr
groß. Doch wir werden ihr nicht erliegen.
(SPD-Bundeskanzler Schröder)

   „Jeder fünfte Gewerkschafter steht rechts“. So die Zusammenfassung einer noch relativ jungen Studie über das als „rechts“ angesprochene „rechtsextreme Potential“ in den bundesdeutschen Gewerkschaften. Danach3 sind 19,1 Prozent der gewerkschaftlich Organisierten „rechtsextrem“ orientiert, worunter wohl so etwas wie „nationalsozialistisch“ gemeint sein dürfte. „Gewerkschaftsmitglieder aus der Mittelschicht, die die Hälfte aller Mitglieder ausmachen, sind anderthalb Mal so häufig rechtsextrem eingestellt wie Nichtmitglieder aus dieser Schicht“. Dies ist deshalb gewichtig, weil 43 Prozent der Gewerkschaftsfunktionäre dieser Schicht angehören. Insgesamt bedeutet dies bei ca. 7,5 Millionen Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften etwa 1,5 Millionen gewerkschaftliche Rechtsextremisten, was die Mitgliederzahl sämtlicher amtlich in „Verfassungsschutzberichten“ als „rechtsextrem“ eingestuften Parteien weit übertrifft! Bekanntlich ist die politische Partei, die den Gewerkschaften zumindest bislang am nächsten steht, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Deren Parteifunktionäre gefallen sich zunehmend darin, die „Gefahr des Vergessens und Verdrängens“ zu beschwören. Dabei ist nicht gemeint, es könnte die Tatsache vergessen werden, dass Hitler zu Beginn seiner politischen Karriere als Sympathisant der Sozialdemokratie galt und sich in seinen mehr privaten Ausführungen, verglichen mit seinen Einschätzungen zu sonstigen konkurrierenden Parteien und Strömungen, fast nur positiv zur SPD geäußert hat. Politisch und ideologisch ist es Hitler denn auch erkennbar darum gegangen, die SPD-Wähler anzusprechen und sie in sein Regime zu integrieren, was ihm mit seiner sozial-staatlich-sozialistischen Wirtschaftspolitik so weitgehend gelungen ist, dass auch die Exil-SPD (Sopade) schon 1934 feststellen musste, dass sich das Hitler-Regime hauptsächlich auf die Arbeiterschaft und damit wesentlich auf ehemalige SPD-Wähler stützen konnte. Ja mehr noch: Die gewollte Integration der ehemaligen SPD-Wähler in das NS-Regime ist in einem Ausmaß gelungen, dass man sogar von „so etwas wie eine(r) Affinität sozialdemokratischer Arbeiter zu Hitler“ sprechen konnte, „die auch umgekehrt zutraf.“

    Diese Tatsache wollen die bundesdeutschen SPD-Ideologen, die angesichts des weltweiten Scheiterns sozialistischer wirtschaftspolitischer Konzepte, unter Einschluss „gemäßigter“, ihren spezifischen sozialdemokratischen Daseinszweck zunehmend im „Kampf gegen Rechts“ sehen, sehr wohl und dies sogar nachhaltig „vergessen und verdrängen“. Mit ihrer Politik des „Vergessens und Verdrängens“ ist dabei die SPD sicherlich die erfolgreichste Partei Deutschlands; denn wer denkt heute schon an „SPD“, wenn das Stichwort „Rassenhygiene“ fällt? Obwohl der Komplex, der unter „Eugenik“ läuft, sehr wohl ein zentrales Anliegen der SPD von etwa 1900 bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts dargestellt hat. Dabei gab es auch sozialdemokratische Befürworter der Euthanasie, also der staatlichen Menschentötung zur sozialpolitischen Kostensenkung und als Beitrag zur Veredelung der menschlichen Rasse. Selbst die SPDler, die davor zurückgeschreckt sind, „Menschenvernichtung“ zu propagieren, haben instinktiv erkannt, dass diese in der Konsequenz demokratiefördernder Menschheitsverbesserung läge, deren Ziel in der Schaffung eines germanenhaften Zukunftsmenschen lag, von dem der seinerzeit für die gesamte SPD-Programmatik maßgebliche Parteiideologe Karl Kautsky schwärmte. Dass sich bei Verwirklichung des Sozialismus auch das Verschwinden des Judentums ergeben sollte, hat Kautsky ausdrücklich postuliert, wenngleich er dies sicherlich anders meinte als es später vom Nationalsozialismus verwirklicht werden sollte. Die bundesdeutsche sozialdemokratische Kampfformel gegen „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ (oder „Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit“ oder noch intelligenter: „Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus“), die ausgestattet mit SPD-kontrolliertem „Verfassungsschutz“, SPD-Parteiverbotsforderung gegenüber konkurrierenden Parteien, SPD-Diskriminierungspolitik gegenüber nicht-sozialdemokratischen Beamten und dergleichen, sich zunehmend zu einer bundesdeutschen Unterdrückungsformel gegen politische Gegner der SPD entwickelt, verdrängt völlig, dass der Antisemitismus des Nationalsozialismus, der im Zentrum sozialdemokratischer Bewältigungsaufforderungen an die politische Konkurrenz steht, sich sehr wohl aus der sozialistischen Tradition ergibt, mit der die Sozialdemokratie erkennbar im Zusammenhang steht. Damit wird auch deutlich, dass die zivilreligiösen Bewältigungsaufforderungen der SPD sich als durchaus heuchlerisch darstellen, was in diesem Charakter wohl noch übertroffen wird von der Bewältigungspolitik der nunmehr auch in der Sozialdemokratie fest etablierten 68er, die einst nicht davor zurückgeschreckt waren, unter dem Poster eines chinesischen Nationalsozialisten zu marschieren und damit überdeutlich machen, dass gerade sie am wenigsten „aus der Geschichte gelernt“ haben. Dies dürfte anzeigen, dass an der üblichen „Bewältigung“ etwas grundlegend falsch sein muss, wenn sie vor allem „gegen rechts“ hetzt. Unter „rechts“ ist dabei im Zweifel etwas gemeint, bei dem Hitler gegen Ende seiner Karriere bedauert hat, dies nicht selbst nachhaltig bekämpft zu haben!

    Als politisches und weltanschauliches Phänomen des 20. Jahrhunderts, dessen Neuartigkeit sich in dem in Deutschland völlig traditionsfremden Swastika-Zeichen manifestiert, hatte der Nationalsozialismus (NS) sicherlich auch eine konservative und sogar auch liberale Vorgeschichte. Die „Bewältigung“ lediglich dieser partiellen Vorgeschichte als (angebliche) Nachgeschichte haben SPD-„Moralisten“ im Sinn, wenn sie von „der Gefahr des Vergessens und Verdrängens“ schwadronieren. Dabei hat sich der NS selbst nur in einem äußerst beschränkten Sinne, soweit dies gerade noch mit „national“ abgedeckt werden konnte, in die konservative und liberale Traditionslinie eingeordnet. Was sich aber eigentlich als offensichtlich darstellt, ist die selbstgewählte Einordnung in die sozialistische Traditionslinie, weil sich der NS sonst nicht als „national-sozialistisch“, sondern allenfalls als „sozial-nationalistisch“ und dergleichen bezeichnet hätte: Mit der Namensgebung <em>Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)</em> liegt erkennbar ein Aufgreifen, wenngleich auch eine charakteristische Modifizierung der Bezeichnung Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (S(A)PD) vor, wie sich die SPD kurzfristig nach ihrem Gothaer Einigungsparteitag, bei dem sich die Anhänger Lassalles mit denen von Marx/Engels zusammenfanden, von 1875 bis 1890 genannt hatte. Die „Bewältigung“ dieser wohl zentralen sozialistischen Traditionslinie des Nationalsozialismus steht in einer mehr systemischen Weise trotz mittlerweile guter Vorarbeiten immer noch aus. Diese Bewältigung der Vergangenheit erscheint jedoch im Interesse der Gegenwarts- und Zukunftsbewältigung dringend erforderlich, wie das offensichtlich vorhandene „rechtsextremistische Potential“ bei den sozialdemokratischen und post(?)kommunistischen Gewerkschaften der Bundesrepublik Deutschland anzeigt, das man aufgrund der sozialistischen Ausrichtung der Gewerkschaften dann wohl nicht anders denn als national-sozialistisch wird ansprechen können. Sollte der Sozialismus, das Unheil, das sich im 20. Jahrhundert in unterschiedlicher, aber doch typischer Weise eingestellt hat, im 21. Jahrhundert noch eine Chance haben, sich erfolgreich durchzusetzen, dann kaum als International-, sondern schon viel eher als National-Sozialismus, schon weil das ideologisch zentrale sozialistische Gleichheitsversprechen nur bei begrenzten Kollektiven nachvollziehbar zu realisieren ist, während dieses bezogen auf ein internationales Kollektiv wie „Menschheit“ oder (internationale) „Arbeiterklasse“ im Ergebnis doch sehr utopisch bleibt. Deshalb galt auch schon in der Vergangenheit, dass der Nationalsozialismus immerhin einigermaßen demokratisch an die Macht kommen konnte und damit eine aus demokratischer Sicht bei weitem größere Legitimität aufwies, während der International-Sozialismus von vornherein nur durch Terror, Staatsstreich und Interventionskrieg („Revolution“) eine Chance hatte, an die Macht zu gelangen. Aufgrund der heuchlerischen „Vergangenheitsbewältigung“ als zivilreligiöser Veranstaltung der Bundesrepublik ist sicherlich gewährleistet – und dies ist vielleicht ihr einziger, wenngleich aus mehreren Gründen fragwürdiger Erfolg! –, dass der NS nicht unter dieser Bezeichnung Einfluss erhalten wird, sondern – wie bereits im Zusammenhang mit den bundesdeutschen 68ern geschehen – unter ganz anderen Bezeichnungen wie etwa „Antifaschismus“ auftreten wird, wobei nur den intelligenteren Vertretern dieser Strömungen klar sein dürfte, in welcher Kontinuität sie stehen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann gesagt werden, dass es das Phänomen „68er“ in der Weise wie es insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland in Erscheinung getreten ist, nämlich mit terroristischen Auswirkungen und Pol-Pot-Unterstützung oder auch nur als Politisierung der Sexualität, nicht gegeben hätte, wenn auch der zentrale sozialistische Aspekt des Nationalsozialismus „bewältigt“ gewesen wäre.

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