Lichtschlag Bücher

Leseprobe: Männerbeben

Abgesang auf die Männer?

„Sind Sie Mann?“ fragte die Berliner „tageszeitung“ am 21. März 2005 ihre Leser. „Dann hatten Sie Ihre Chancen in den letzten 20.000 Jahren. Die Zukunft für Sie? Grau, anthrazit, schwarz.“ Das war keineswegs eine Einzelmeinung. Ein Außerirdischer, der zur Jahrtausendwende auf unseren Planeten heruntergebeamt worden wäre und sich beispielsweise eine deutsche Buchhandlung ausgesucht hätte, um sich über die Lebensformen auf diesem Planeten zu informieren, hätte recht bald einen eindeutigen Eindruck gewonnen: Die dominanten Wesen auf dieser Welt, die Menschen, teilen sich in zwei Gruppen: Die eine, die Männer, ist die bei weitem niederträchtigere, aber zugleich Gott sei Dank auch praktisch inzwischen überall unterlegene – sie hatte die letzten Jahrtausende über geherrscht. Im Augenblick ist sie gerade dabei auszusterben, weshalb die zukünftigen Jahrtausende der bis vor kurzem noch in Unfreiheit geknechteten, jedoch weit überlegenen Gruppe der Frauen gehören wird.

Typische Buchtitel, die bei unserem außerirdischen Besucher diesen Eindruck erzeugen könnten, wären: Anthony Clares „Männer haben keine Zukunft“, Lionel Tigers „Auslaufmodell Mann“, Steve Jones „Der Mann. Ein Irrtum der Natur?“ oder Ernst Hribernigs „Sind Männer das nutzlose Geschlecht?“. In Alon Gratchs Buch „Wenn Männer reden könnten“ teilen uns die Kapitelüberschriften die offenbar wesentlichen Charaktereigenschaften dieser Spezies mit – sie lauten beispielsweise „Gefühlstaubheit“, „Unsicherheit“, „Selbstbezogenheit“, „Aggressivität“ und „Selbstzerstörung“. Der Soziologe Dieter Otten verfemt in seinem Buch „MännerVersagen“ Männer als das „anomische“ (also: regelwidrige, verderbte) Geschlecht und verkündet, dass ohne eine Sozialisierung durch Frauen die Männer „kein taugliches Sozialverhalten entwickeln“ könnten. Von Scott Wilson und Jasmin Waltz entdeckt unser außerirdischer Besucher das Büchlein: „Was tun mit nutzlosen Männern?“ Auf dem Titelbild kniet ein nackter Mann, in dessen Pobacken eine sportliche, hübsche Frau den Vorderreifen ihres Rennrades gerammt hat, um ihr Gefährt zu parken, während sie joggen geht. Im Innenteil des Buches gibt es viele weitere hübsche Bilder dieser Art. Die Feministinnen Sabina Riedl und Barbara Schweder machen in ihren Büchern wie „Mimosen in Hosen“ von der Zweiteilung der Menschheit in männliche Untermenschen und eine weibliche Herrenrasse keinen Hehl und sprechen vom Mann als „Mangelwesen“ und „Montagsmodell der Evolution“. Schon eine Passa ge des Vorworts bereitet die Leser darauf vor, welche Thesen sie im Verlauf des Buches erwarten: „Kein Wunder, dass sich die Natur für die Weibchen der Spezies mehr ins Zeug gelegt hat. Sie mussten zäher, widerstandsfähiger, einfühlsamer und sensibler sein als die Erzeuger ihrer Kinder. Männer waren, ebenso wie ihre Samenzellen, als billige, rasch austauschbare Massenware konzipiert, als Kanonenfutter oder menschliche Schilde bei gewalttätigen Auseinandersetzungen.“

Verlassen wir einmal unsere Allegorie mit dem außerirdischen Besucher und wenden wir uns den Denkkategorien zu, die wir in unserer Welt gelernt haben. Da könnten wir zum Beispiel auf die Idee kommen, die Sätze der Damen Riedl und Schweder mit einer Methode zu untersuchen, die in der Text- und Diskursanalyse immer wieder zu erhellenden Erkenntnissen führt: der Austauschmethode. Wir ersetzen also beispielsweise „weiblich“ und „männlich“ jeweils mit „hellhäutigen Menschen“/„Weißen“ und „dunkelhäutigen Menschen“/„Neger“. Das Ergebnis wäre: „Kein Wunder, dass sich die Natur für die hellhäutigen Menschen mehr ins Zeug gelegt hat. Sie mussten zäher, widerstandsfähiger, einfühlsamer und sensibler sein als die Dunkelhäutigen. Neger waren als billige, rasch austauschbare Massenware konzipiert, als Kanonenfutter oder menschliche Schilde bei gewalttätigen Auseinandersetzungen.“ Mit anderen Worten: Man würde den lupenrein faschistischen Text ohne Probleme erkennen.

Wie konnte es geschehen, dass solche und vergleichbare Texte bei großen Verlagen völlig unbeanstandet durchs Lektorat gehen und stapelweise in unsere Buchhandlungen gekarrt werden? Offenbar machte diese Entwicklung eine entsprechende Sprechweise bis in die hohe Politik hinein salonfähig. So erklärte etwa Cornelia Pieper, immerhin stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, in einem Artikel der „Bunte“ (9/2007) den Mann im Vergleich zur Frau zu einer Art Untermenschen: „Während die Frau sich ständig weiterentwickelt, heute alle Wesenszüge und Rollen in sich vereint, männliche und weibliche, und sich in allen Bereichen selbst verwirklichen kann, blieb der Mann auf seiner Entwicklungsstufe stehen. Als halbes Wesen. Er ist weiterhin nur männlich und verschließt sich den weiblichen Eigenschaften wie Toleranz, Sensibilität, Emotionalität. Das heißt, er ist – streng genommen – unfertig und wurde von der Evolution und dem weiblichen Geschlecht überholt.“

Dass ihre Sätze selbst nicht gerade vor Sensibilität und Toleranz überfließen, schien Frau Pieper bei ihrer Selbststilisierung zu einem höheren Typ von Mensch in keiner Weise aufgefallen zu sein. Auch hier hilft es, probehalber beispielsweise „Mann“ durch „Neger“ zu ersetzen, um die Analogie zu faschistischem Gedankengut zu erkennen.

„Der Mann ist eine biologische Katastrophe: Das (männliche) Y-Gen ist ein unvollständiges (weibliches) X-Gen, d. h. es hat eine unvollständige Chromosomenstruktur. Mit anderen Worten, der Mann ist eine unvollständige Frau, eine wandelnde Fehlgeburt, die schon im Genstadium verkümmert ist. Mann sein heißt kaputt sein; Männlichkeit ist eine Mangelkrankheit, und Männer sind seelische Krüppel.“ So beginnt Valerie Solanas berühmtes „Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer“. Solanas erläutert weiter: „Der Mann ist von Natur aus ein Blutsauger, ein emotionaler Parasit und daher ohne moralische Lebensberechtigung; denn niemand hat das Recht, auf Kosten eines anderen zu leben. Wie die Menschen durch ihre höhere Entwicklung und ihr höheres Bewusstsein ein vorrangiges Lebensrecht gegenüber Hunden haben, so haben die Frauen ein größeres Lebensrecht als die Männer. Die Vernichtung sämtlicher Männer ist daher eine gute und rechtliche Tat; eine Tat, die sich zum Wohl der Frauen wie zum Segen aller auswirken würde. Die wenigen überlebenden Männer mögen ihre kümmerlichen Tage mit Dropout und Drogen weiterfristen, als Transvestiten in Frauenkleidern herumstolzieren. Oder sie können gleich um die Ecke zum nächsten Selbstmord-Center gehen, wo sie unauffällig, schnell und schmerzlos vergast werden.“ Nicht lange nach der Niederschrift des Manifests schoss Solanas Andy Warhol nieder.

[...]

[zurück zum Buch]